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Inlineskaten für Blinde, Entstehungsgeschichte

Im Jahr 1998 starteten die Inlineskateaktivitäten im Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte der Blindenanstalt Nürnberg e. V. unter Leitung von Volker Springhart. Für die sehbehinderten Schüler sollte eine neue sinnvolle Freizeitbeschäftigung angeboten werden. Mit 55 Jahren hatte Volker Springhart Inlineskaten mit dem enormen Freizeit- und Gesundheitswert für sich entdeckt und wollte diese an die Schüler seiner Einrichtung weitergeben, in der er als Heimleiter arbeitete. Aufgrund seines Berufes hatte er reichlich Erfahrung mit blinden Menschen. Dennoch konnte er sich anfangs nicht vorstellen, dass Inlineskaten für Blinde eine geeignete Freizeitmöglichkeit sein könnte. Bei der Einführung des Inlineskatens gab es in der Einrichtung von vielen Seiten Bedenken. Die vollblinde Schülerin Martha Kosz überzeugte Herrn Springhart davon, dass Inlineskaten eine ideale sportliche Betätigung auch für vollblinde Menschen sein kann.
Martha berichtet:
"Ich hatte von Freunden erfahren, dass momentan eine neue Sportart immer mehr im kommen ist, das Skaten. Nach einer kurzen Diskussion mit meiner Mutter und meinem Vater: "Oh Gott mein Kind, wenn dir da was passiert, wenn du hinfällst..." hatte ich sie doch davon überzeugt, dass ich schnellstens ein Paar von diesen heißen Rollern brauchte. Ein paar Tage später sind wir dann auch in ein Sportgeschäft gefahren und haben mir ein Paar Inliner gekauft. Am Anfang bin ich erst ein bisschen an der Hand von meiner Mutter durch die Gegend, na ja, mehr gegangen als gefahren. Doch mit der Zeit hatte ich immer mehr den Kniff raus, wie ich mich richtig mit den Skates bewegen muss und meine Mutter wurde mir schnell zu langsam.
Als ich meine neuen Sporterlebnisse in meiner Gruppe in der Blindenanstalt erzählte, wurde mir gesagt, dass unser Heimleiter, Herr Springhart, ebenfalls schon einige Zeit auf den Inlinern steht. Da habe ich mich sofort am nächsten Tag mit ihm in Verbindung gesetzt und habe ihn gefragt, ob er mir noch ein paar Tipps geben könnte, wie ich noch sicherer auf den Skates werde. Anfangs habe ich mit ihm immer in den großzügigen Kellerfluren des Internates geübt. Dort brachte er mir das Skaten immer näher. Er hat mich dort in geschützter Umgebung langsam auf die wesentlich gefährlichere aber für mich mittlerweile auch wesentlich interessantere Skaterei im Freien vorbereitet. Jede Verbesserung meiner Fahrtechnik und jedes Lob das ich von Herrn Springhart bekommen habe, hat mich mehr motiviert weiter zu machen. Wir haben ständig trainiert, geübt und verbessert. Nach einiger Zeit war Herr Springhart davon überzeugt, dass ich für das Fahren im Freien genügend Übung hätte und sagte mir, dass wir das nächste Mal uns bei schönem Wetter ins Outdoor-Gelände wagen könnten. Als erstes sind wir um den Duzendteich gefahren, links rum, rechts rum. Dann hat er mich auf die Große Straße am Aufmarschgelände geschickt. Sie ist direkt hinter dem Serenadenhof. Dort habe ich mich auch das erste mal getraut allein zu fahren, also ohne dass mich Herr Springhart an die Hand nimmt und führt. Er ist natürlich neben mir gefahren und hat aufgepasst, dass nichts im Weg liegt, bzw. dass mir nichts passiert. Mit der Zeit bin ich so gut geworden, dass mir das ewige Hin-und-her-Gefahre auf der "Großen Straße" zu langweilig geworden war.
Ich habe Herrn Springhart darum gebeten, sich doch mal etwas anders zu überlegen. Prompt kam dieser am nächsten Tag mit der Information, dass wir in drei Tagen beim Nürnberger Niteskate mitfahren werden. Schluck, oh weier, da hatte ich mir ja was eingebrockt! Drei Tage später ging's los. Ich sag´s euch, das war ein Erlebnis, mit 40000 Skatern auf der Straße 15 km durch Nürnberg zu rollen." Soweit der Bericht von Martha.

Martha und Volker 2007Die Begeisterung Marthas übertrug sich auf andere Blinde, so dass immer mehr blinde und sehbehinderte Schüler der Blindenanstalt Nürnberg das Inlineskaten auf den langen Kellerfluren lernten und ausübten. Herr Springhart hatte inzwischen mit 57 Jahren den Instruktorenkurs des DIV für Inlineskaten erworben und dann auch fachkundige Kursstunden für Mitarbeiter seiner Einrichtung angeboten, so dass die skatenden blinden Schüler auch für Ausfahren im Freien Begleitpersonen hatten. Die Ausfahrten mit blinden und sehbehinderten Schülern waren inmer ein besonderes Erlebnis. Die blinden Inlineskater/innen wurden an der Hand geführt, die sehbehinderten Skater/innen ordneten sich in die Gruppe ein, so dass sie immer eine Orientierung hatten.

Im Jahr 2001 hatte Volker Springhart durch Zufall die Internetseite des cappSportcup gefunden. Die Weikstiftung bot eine interessante Sportveranstaltung in München an. Vom Konzept, das hinter der Weik-Stiftung steht, war er begeistert. An der Veranstaltung am 20. Mai 2001 in München nahmen dann 7 sehbehinderten und 2 vollblinde Inlineskater/innen teil. Diese Veranstaltung war der Startschuss zur Teilnahme von blinden und sehbehinderten Inlineskatern an Inlinerrennen, die dann im Jahre 2007 zur ersten Deutschen Meisterschaft im Speedskaten für blinde und sehbehinderte Sportler mündete.

Die Wettkampfrichtlinien des Deutschen Rollsport und Inline Verbandes (DRIV) wurden um eine Wettkampfordnung für Rennen mit Blinden und Sehbehinderten in 3 Startklassen erweitert:
B1 für Blinde Athleten mit Führung an der Hand
B2 für hochgradig sehbehinderte, blinde Athleten mit Begleitläufern
B3 für sehbehinderte Athleten, die keine Führung benötigen
Der 1. FCN Roll- und Eissport e.V. führte 2007 die ersten Deutschen Meisterschaften im Speedskaten für blinde und sehbehinderte Menschen durch.
Die Inclusion der behinderten Sportler in den Verein führte dann auch zur Inclusion bei Veranstaltungen. Speedskaten war für blinde Menschen nur gemeinsam mit sehenden Begleitläufern möglich. Wie aus der Rekordliste des DRIV ersehbar wurden bei den Rennen von blinden Speedskatern Zeiten erreicht, die viele sehende Freizeitsportler nicht erreichen konnten.

Nürnberg ist aufgrund dieser historischen Entwicklung Ursprung und Schwerpunkt der Inlineskateaktivitäten für blinde und sehbehinderte Menschen. Wie der Höhepunkt des Freizeitinlineskatens überschritten ist, scheint er auch bei den blinden Speedskatern überschritten zu sein.
Inlineskaten von blinden Menschen hat etwas mit "trauen" zu tun. Einerseits das zutrauen in die Fähigkeit des blinden Menschen von den sehenden und andererseits viel Vertrauen in die Führung des sehenden Begleiters von Seiten des blinden Menschen. Nicht die mögliche Angst des blinden Menschen ist das Problem, sondern die Angst des sehenden Umfeldes. Die Rekordliste und der Spaß der blinden Sportler am Inlineskaten kann Vorurteile abbauen. Wir brauchen mehr mutige Menschen, welche bereit sind, blinde Menschen hier zu unterstützen und als Trainingspartner und Begleitfahrer zur Verfügung zu stehen. Sport ist für das Wohlbefinden und die gesundheit wichtig: Er muss Spaß machen, damit man dabei bleibt. Das ist beim Inlineskaten sowohl beim Begleitfahrer als auch blinden Sportler gegeben.


Blinde Interessenten außerhalb von Nürnberg können auch mit Begleitpersonen an Wochenenden und in den Ferien Kompaktkurse zum Erlernen des Inlineskatens erhalten.
Nürnberg im Januar 2014
© Volker Springhart

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